Roboter-Operationen im Kreisklinikum Siegen


Da Vinci im Kreisklinikum Siegen ist weder ein Maler noch eine Pizzeria. Da Vinci heißt das roboter-assistierte Chirurgiesystem, das in dem Klinikum benutzt wird. Seit November 2018 ist es im Einsatz.

Viszeralchriurg Alexander Beham zählt zu den etabliertesten Da Vinci-Chirurgen Deutschlands. Er erzählt, dass mit dem Roboter-System am Kreisklinikum Siegen Operationen am Mastdarm, am Enddarm, Rezidive von Sodbrennen, Magenbypässe und Magentumore operiert werden.

Mit den vier Armen des Roboters kann der Chirurg all das tun, was er bei offener Operationsweise mit seinen Händen tun würde. Nur effizienter, die Vorteile der offenen Chirurgie, die 3D Sicht, wird mit den Vorteilen der minimalinvasiven Chirurgie, also möglichst schonend für das Gewebe des Patienten, verbunden. Doch nicht alle Patienten wollen das.

Die Entscheidung trifft letztendlich der Operateur mit dem Patienten zusammen. Es gibt natürlich Menschen, die sagen, dass sie nicht mit dem Roboter operiert werden wollen. Patienten, die das nicht wollen, werden auch nicht mit dem Roboter operiert.

Alexander Beham, Viszeralchirurg Kreisklinikum Siegen
Foto: Kreisklinikum Siegen

Für Chirurgen bietet der Roboter viele Vorteile: Sie können präziser arbeiten, Fehler durch zittrige Hände sollen vermieden werden. Der Chirurg sieht die Operationsstellen über eine Konsole als 3D-Bild – und bis zu zehnfach vergrößert.
Aber: Vor allem eine Sache sei bei roboter-assistierten Operationen für die Chirurgen eine Umstellung, erklärt Beham, das haptische Feedback fehle.

Man spürt nichts in den Fingern wie beim offenen Operieren. Das ist aber erstaunlicherweise so, dass man nach einer gewissen Anzahl an Operationen einfach sozusagen ‘durchs Auge’ spürt.

Alexander Beham, Viszeralchirurg Kreisklinikum Siegen

Die Bewegungen am Kontrollinstrument sind ähnlich mit den Bewegungen, die der Chirurg auch am offenen Bauch von Hand durchführen würde. Die Maschine wandelt seine Bewegungen in präzise Handlungen der Instrumente um – zehntelmillimetergenau.

Für die Chirurgen braucht es Zeit, sich mit der Technologie vertraut zu machen, sagt Chefarzt für Urologie, Dr. Johannes Spelz, der das Robotersystem ab dem Frühjahr in seiner Abteilung einsetzen wird.

Die Lernkurve ist flach. Man kann das nicht von heute auf morgen lernen, sondern benötigt einige Zeit, um in so eine Routine und Sicherheit rein zu gehen, dass man die Operation ohne größere Komplikationen durchführen kann.

Dr. Johannes Spelz, Chefarzt für Urologie Kreisklinikum Siegen

Zusätzlich zum Roboter hat sich das Kreisklinikum auch direkt einen dazugehörigen Simulator angeschafft. Die Chirurgen können so in rund 2-3 Monaten fit gemacht werden für die Operationen mit dem Robotersystem. Die Steuerung der 4 Roboter-Arme, die allesamt von einem Chirurgen bedient werden können, ist am Anfang gar nicht so einfach, erklärt Spelz:

Jeder Arm hat wiederum verschiedene Funktionen, je nachdem, was man gerade machen will. Ob man verödet, schneidet, ob man das Bild größer oder kleiner braucht. Ob man mit den Armen bestimmte Bewegungen macht, die über die Führung nur möglich sind, indem man die Arme umschaltet, wobei dann jeweils die Funktionsweise der rechten Taste und der linken Taste des Beins anders wird. Am anderen Bein wiederum kann man umschalten und ändert damit auch wieder die Funktionen…

Dr. Johannes Spelz, Chefarzt für Urologie Kreisklinikum Siegen
Foto: Kreisklinikum Siegen

Viele miteinander kombinierte Funktionen also, die für die Chirurgen in einen Automatismus übergehen müssen. Selbstständig arbeitet der Roboter übrigens nicht. Er kann keine eigenständigen Bewegungen ausführen und auch nicht programmiert werden.

Die Rückmeldung der Patienten nach den OPs sei positiv. Die Wunden seien kleiner und heilten schneller. Studien über den Einsatz der Roboter gibt es aber kaum, was auch daran liegt, dass sie in vielen Bereichen noch in der Initialphase seien. Auch können sich viele Krankenhäuser die Roboter nicht leisten. Das Da Vinci System für das Kreisklinikum hat 2,4 Millionen Euro gekostet. Eine OP mit dem Robotersystem ist zudem teurer als eine normale Operation, ca 1.200 bis 1.500 Euro pro OP, sagt Beham:

Da muss man der Politik hier in der Stadt Siegen ausgesprochen danken, dass sie als Träger des Kreisklinikums nicht so auf die Gewinnmaximierung achtet und eben das erlaubt.

Alexander Beham, Viszeralchirurg Kreisklinikum Siegen

Als problematisch wird von Experten eine gewisse Monopolstellung des kalifornischen Unternehmens gesehen, dass die Da Vinci Robotersysteme herstellt. Allerdings ist Bewegung im Markt, so Beham:

Es gibt seit gut einenhalb Jahren ein System, das aus Italien vertreten wird. Zusätzlich sind am Horizont noch zwei weitere Systeme, sodass man davon ausgehen muss, dass wahrscheinlich in 10 Jahren die Chirurgie ein bisschen anders aussieht, als sie derzeit aussieht. Man kann das glaube ich durchaus vergleichen mit der Einführung der ersten Handys.

Alexander Beham, Viszeralchirurg Kreisklinikum Siegen

Dass es verschiedene Meinungen über den Sinn des Einsatzes von Robotersystemen bei Operationen gibt, zeigt sich an einer Studie der Columbia University. Darin wird betont, dass insbesondere der geringere Blutverlust, mit dem das Unternehmen gerne wirbt, nicht nachgewiesen werden konnte und auch ansonsten keine Vorteile zu erkennen waren. Allerdings kam es auch schon zu Todesfällen bei Operationen mit Da Vinci Systemen. Inwiefern diese tatsächlich mit dem Roboter-System zusammenhängen, ist umstritten.

Foto: Kreisklinikum Siegen

Bis Roboter komplett in den OP-Sälen angekommen sind, wird es wohl noch dauern.
Als Ziel peilt das Kreis-Klinikum Siegen dieses Jahr 200 Operationen mit dem Da Vinci Roboter-System an.

Wichtig ist, sich mit der Technik auseinanderzusetzen und bei aller Euphorie und auch den Rückschlägen vor allem eines im Auge zu behalten: Die beste Lösung für den Patienten zu finden.

Was es für ein Gefühl ist, so einen Roboter zu steuern, hat Reporter Patrick ausprobiert – seine Erfahrung könnt ihr euch oben anhören (bei 7:22 Min).

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